Weihnachten ohne Weihnachtsbaum?
Weihnachten ohne Weihnachtsbaum – für alle, die Weihnachtstraditionen lieben, schlicht unvorstellbar. Denn in vielen Familien zählt das gemeinsame Aussuchen und spätere Schmücken des Weihnachtsbaumes zum festen Vorbereitungsritual auf das Christfest. Und wenn es dann auf den 4. Advent zugeht, beginnt der Endspurt zum Kauf des Weihnachtsbaums. Dabei soll es nicht nur “irgendein” Weihnachtsbaum sein, sondern er muss ganz bestimmten und häufig heiß diskutierten Vorstellungen entsprechen: gerade gewachsen, füllig geformt, und auch die Größe muss stimmen.
Dass der Umweltverein Nabu Hessen in dieser Woche nach dem Motto “In diesem Jahr ein Weihnachtsbaum ohne Gift” zum Kauf vornehmlich solcher Bäume aufgerufen hat, die durch Bio-Organisationen wie Naturland, Demeter oder Bioland zertifiziert wurden, ist auf die Kritik des Kreisjagdverbandes gestoßen. Wie der 1. Vorsitzende der Dillkreisjäger Dr. Rudolf Schönhofen und seine Stellvertreter Jochen Decher und Michael Kampmann am Rande einer Vorstandssitzung erläutern, beruhe der Aufruf des Nabu zwar auf durchaus ehrenwerten Beweggründen, gehe aber an der Lebenswirklichkeit völlig vorbei. Denn gerade die aus der Bio-Lebensmittelbranche bekannten Zertifizierungssiegel sind nach Angaben von Dr. Schönhofen so aufwändig und teuer, dass sich die meisten kleinen Privatforstbetriebe oder Waldbauern trotz ökologischer Arbeitsweise diese Kosten nicht leisten oder nicht an ihre Kunden weitergeben können. Daher kommen die mit Premiumlabeln zertifizierten deutschen Weihnachtsbäume aus nur wenigen deutschen Produktionsstandorten, so dass allein Transportwege und Emissionen die Ökobilanz solcher Bäume verschlechtern.
Kein „schlechtes Gewissen“ beim Weihnachtsbaumkauf
“Niemand braucht ein schlechtes Umweltgewissen zu haben, wenn sie oder er neben einem nichtzertifizierten Weihnachtsbaum sitzt, der “nur” von einem heimischen Waldbauer oder Forstbetrieb stammt”, sagen die Dillkreisjäger. Vizevorsitzender Michael Kampmann, ein langjähriger Forstbeamter, weist darauf hin, dass ohnehin für Bäume aus den Staatsforsten ebenso wie aus den selbst oder auf Vertragsgrundlage beförsterten Kommunal- und Privatwäldern Bewirtschaftungsrichtlinien gelten, die dem Einsatz von Pestiziden oder Dünger entgegenstehen. Nach Angaben des Forstmannes unterliegen diese Wälder, wie seit diesem Jahr auch der Herborner Stadtwald, den Forstzertifizierungssystemen FSC oder PEFC, die wie ein “Wald-TÜV” eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes sowie der Weihnachtsbaumkulturen auf Waldflächen sicherstellen. Schließlich verbieten sich Dünger und Pestizid für Kleinwaldbesitzer schon deshalb, weil ihre hohen Kosten den Weihnachtsbaumverkauf unrentabel machen würden. Auch ohne Zertifizierungssiegel sind diese Bäume “bio”, ist das Fazit des Forstexperten Kampmann. Deshalb ruft der Kreisjagdverband dazu auf, statt Importware – rund 80 Prozent der in Deutschland angebotenen Nordmanntannen stammen aus dänischen Holzplantagen – den Weihnachtsbaum so regional wie möglich zu kaufen, also direkt beim örtlichen Forstbetrieb oder auf dem Baumgrundstück des Waldbauers.
Kauf vor Ort kommt den Waldeigentümerinnen zugute
Die Vermeidung langer Transportstrecken und Treibstoffemissionen dient aber nicht nur dem Klimaschutz. Jagdverbandsvize Jochen Decher betont, dass ein Baumkauf vor Ort den Waldbesitzern in der Region zugutekommt. Durch die Verkaufserlöse können sie Neupflanzungen finanzieren und damit den Dürreschäden der letzten Sommer begegnen. Außerdem widerspricht Decher der Überlegung, statt Abholzung eines Baumes mit dem Kauf einer Kunststoff-Tanne einen Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Wissenschaftliche Studien hätten nämlich gezeigt, dass künstliche Tannen je nach Herstellung und Produktionsland 17 bis 20 Jahre verwendet werden müssten, bis sie die gleiche Ökobilanz wie echte Bäume aufweisen. Plastikbäume setzen aber über die Jahre Staub an und verblassen rasch, so dass sie meist viel schneller auf dem Müll landen. Wie Jochen Decher ausführt, speichert ein natürlich gewachsener Weihnachtsbaum in seinen durchschnittlich acht bis zwölf Wachstumsjahren große Mengen an klimaschädlichem CO”, wogegen bei der Produktion eines künstlichen Baumes CO2 entsteht. Schließlich raten die Dillkreisjäger davon ab, sich statt eines geschlagenen Baumes für den Kauf eines eingetopften Nadelbaums mit Wurzelballen zu entscheiden. Denn die Praxiserfahrung zeige, dass viele Bäume den abrupten Umzug aus frostigen Außertemperaturen ins gut geheizte Wohnzimmer und nach Weihnachten den Wechsel vom Topf in den Boden nur selten ohne Schäden überstehen. Abschließender Tipp von Förster Michael Kampmann: Weihnachtsbaum beim örtlichen Erzeuger selbst schlagen und anschließend über Nacht in einen Eimer Wasser stellen, so behält er länger sein grünes Nadelkleid.